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März 27, 2017

Scham & ihre Auflösung durch Bewusstwerdung

Scham – was ist das eigentlich und wie erleben wir sie?

Kennen tut dieses Gefühl jeder. Und wir alle würden es vermutlich anders beschreiben. Für mich ließe es sich am ehesten als ein unangenehmes Gefühl des Ertappt-Seins in meinem Sein beschreiben. Begleitet von aufsteigender innerer Hitze und dem Wunsch mich von jetzt auf gleich auflösen zu wollen. So fühlt es sich an, wenn ich Scham bewusst erlebe. Vielleicht ist es für dich ähnlich. Oft sind wir uns unserer Scham allerdings nicht bewusst.

Scham hat einen biologischen Ursprung.

Die natürliche Auswirkung von Scham ist, dass wir in unserer Freude oder unserer Erregung unterbrochen werden, sobald wir nicht sicher sind. Dies führt zum Verlust des Interesses. Für sexuell aktive Höhlenmenschen war dieser Mechanismus überlebenswichtig, wenn sich zum Beispiel ein bedrohliches Tier näherte. In unserer Zeit jedoch sind Situationen dieser Art äußerst selten. Es gibt heute einen anderen Zusammenhang.

Im Verlauf unseres Lebens wird Scham zu einer Emotion.

Wir alle leben in Systemen. Familien. Kulturen. Religionen. Alle Systeme vermitteln ein bestimmtes Bild davon, was einfach gesagt richtig und falsch ist. Ob, wann oder in welcher Form es angemessen ist, sexuellen Aktivitäten, Neigungen oder Orientierungen nachzugehen. Wenn wir uns dabei von etwas angezogen fühlen, was von den uns umgebenden Systemen abgelehnt wird, schämen wir uns. Scham ist

die Emotion der Unterbrechung von Erregung und Freude.

Diese Unterbrechung kann im Außen passieren. Dadurch, dass wir beim Sex erwischt werden. Solo oder mit einem Partner. Vermutlich unterbrechen wir unser Liebesspiel. Und auch unsere Erregung sinkt. Ebenso kann diese Unterbrechung im Innen passieren. In Momenten, in denen uns Schuld, Mangel oder Ungehörigkeit bewusst werden. Unsere Erregung sinkt. Wir sind nicht mehr in der Lage die Situation zu genießen. Dies sind beides Beispiele für Momente, in denen uns bewusst ist, dass wir Scham erleben.

Scham kann auch unbewusst erlebt werden.

Die uns unbewusste Art von Scham ist sogar die weit häufigere. Immer wenn wir zum Beispiel während unseres Liebesspiels innere, und als Folge davon dann eventuell auch äußere, Ablenkungen erleben, kann dies eine Folge von Scham sein. Wir sind an und für sich total im Geschehen. Und wie aus dem nichts sind wir, in welcher Form auch immer, innerlich abgelenkt. Wir ärgern uns dann möglicherweise sogar über diese erlebte Ablenkung. Und uns ist nicht im Ansatz bewusst, dass Schamgefühl die Ursache sein könnte.

Kennst du diesen Moment der spontan auftretenden Ablenkung?

Dann bist du eingeladen, das nächste Mal, wenn du einen solchen Moment erlebst, genauer hinzuschauen, was passiert ist. Möglich ist, dass du gerade an einer sehr intimen und verletzlichen Stelle deines Körpers berührt worden bist. Vielleicht ist diese Stelle auch, bewusst oder unbewusst, von dir mit einem Tabu oder einer Angst belegt. Ebenfalls möglich ist, dass du gerade auf eine sehr hingebungsvolle Art deine Lust genossen hast. Was auch immer es ist…

Schau mutig hin, was unmittelbar vor deiner erlebten Ablenkung passiert ist.

Oder was, sofern es voraussehbar war, danach passiert wäre. Versuche es am besten völlig wertfrei einfach zu betrachten. Vielleicht hast du die Möglichkeit mit einem dir vertrauten Menschen, wie zum Beispiel deinem Partner, in einem ruhigen Moment darüber zu sprechen. Ihm mitzuteilen, was du beobachtet hast, welche Gefühle du dabei hattest, was Inhalt deiner Ablenkung war. Natürlich kannst du dies auch erstmal ganz für dich selbst machen, es zum Beispiel aufschreiben oder in Gedanken darüber reflektieren.

Schammuster können komplex sein.

Deshalb ist es wichtig, dass du dich in der Auseinandersetzung mit deiner erlebten Ablenkung stets wohlwollend behandelst. Es ist okay Scham zu empfinden. Daran ist zunächst einmal nichts Verwerfliches oder Problematisches. Und es ist auch in Ordnung, wenn dir in der Beobachtung nicht sofort ersichtlich ist, was genau zu der Ablenkung geführt haben könnte. Oder du vielleicht sogar völlig abstrus findest, was du beobachtet hast, weil es deinem Bild, was du von dir selbst hast, nicht entspricht. Und dennoch:

Sei mitfühlend gegenüber deinen Erkenntnissen.

Indem wir unsere Scham annehmen, sehr intime und verletzliche Stellen unseres Körper anerkennen und uns aktuell bestehende Tabus oder Ängste eingestehen, schaffen wir die Basis für Veränderung. Durch das Bewusstsein darüber haben wir die Möglichkeit, uns diesem Thema behutsam zuzuwenden. Es zu verstehen. Langsam zu lernen und über die Zeit zu verinnerlichen, dass die darin erlebte Scham nicht notwendig ist. Sie unsere Sicherheit nicht bedroht.

Der empathische Umgang mit Scham ermöglicht die Auflösung dieses Gefühls.

Minimiert langfristig die Momente, in denen uns urplötzlich ein warmer Schauer von Scham überspült. Oder wir uns ungewollt in Lust unterbrechenden Ablenkungen wiederfinden. So wird es uns möglich, Begrenzungen im Umgang mit unserer natürlichen Sexualität und ihrer Kraft aufzuweichen. Sie zu integrieren und vielleicht sogar ganz aufzulösen. Hin zu größerer Authentizität und Freiheit.

Im Sexualcoaching ist die bewusste Auseinandersetzung mit Scham

ein ganz wesentlicher Aspekt. Wenn du dir Unterstützung auf deinem Weg im Umgang mit Scham innerhalb deiner Sexualität wünscht, schau dir deine Coachingmöglichkeiten an.

Mitfühlend

Yvonne

PS: Brené Brown referiert sehr schön über Scham und Verletzlichkeit.