Sexpositive Sprache – eine Einladung zu einer sexpositiven Haltung
In meiner Rolle als Coach und auch in meinem sonstigen Leben fällt mir immer wieder auf, wie sehr Sprache bewertet. Oder vielmehr, dass Worte in unseren Köpfen mit einer ganz bestimmten Bedeutung verknüpft sind. Oft ist es eine wertende Bedeutung. Und oft ist diese Wertung eher negativ als positiv.
Generell ist Bewertung immer notwendig.
Denn vereinfacht gesagt hilft sie uns beim Überleben, diese evolutionär bedingte sowie ganz automatische und unbewusst ablaufende Bewertung. Immer mit dem Ziel zu unterscheiden: Sind wir in Sicherheit oder droht Gefahr? Das geht blitzschnell. Und doch ist es ungemein hilfreich zu bemerken, dass in unserem Kopf eine Bewertung geschieht. Von Situationen. Von Aussagen. Und von einzelnen Worten.
Bewertung wirkt unbewusst und formt unsere Haltung.
Wenn wir nicht merken, dass hinter etwas, was wir sagen oder hören, lesen oder schreiben eine Bewertung steckt, sind wir unbewusst doch davon beeinflusst. Wenn wir erleben, dass in einer Aussage für uns eine Bewertung steckt, haben wir hingegen die Möglichkeit, damit bewusst umzugehen. Wir können diese Bewertung hinterfragen. Schauen, wie es dazu kommt und was sie mit uns macht. Ob wir dabei bleiben wollen.
Sexnegative Sprache kann eine negative Einstellung zu Sexualität fördern.
Und dies ist meine Einladung an dich, ehrlich zu schauen, was du unter Sexualität und Sex, Lust und Erregung verstehst. Und wie diese Worte für dich belegt sind. Vielleicht sind sie neutral, völlig ohne Bewertung. Vielleicht aber auch sind sie negativ behaftet. Mit der Idee, dass „man“ darüber eher nicht offen spricht. Es insgeheim nicht erlaubt ist, erfüllten Sex zu haben oder haben zu wollen. Oder gibt es in dir bereits eine deutliche Bejahung dieser Worte?
Das Gefühl und die Resonanz im Körper als Indikator für eine Bewertung.
Du kannst Worte für dich laut aussprechen und dabei darauf achten, wie sich dein Körper anfühlt. Mach das auch gern mehrfach. Und beobachte dich, auch wie es nachhallt. Ist dein Körper entspannt dabei oder verkrampft er vielleicht auf die eine oder andere Weise? Und wie leicht fällt es dir, die Worte auszusprechen? Beides gibt dir eine Idee dazu, wie Worte innerlich von dir belegt sind.
Die Bewertung bemerken ist ein großer Schritt.
Und egal, welche Art der Bewertung du in dir feststellst, schau dabei freundlich auf dich. Du hast jetzt Bewusstheit darüber, herzlichen Glückwunsch! Erst recht, wenn es sich um eine negative handelt. Denn ab dem Zeitpunkt der Bewusstheit können wir, wenn wir denn wollen, Veränderung erreichen. Dabei hilft:
Sexpositive Sprache benutzen.
Denn in vielen Worten in unserer Sprache steckt eine gewisse Verknüpfung und somit auch sehr leicht eine unbewusste Bewertung. Wenn wir genau hinsehen und hinhören, wird uns das auch klar. Nur müssen wir das erst einmal tun. Denn heute ist uns im Alltag oft die wirkliche Wurzel bzw. wahre Bedeutung (Etymologie) eines Wortes gar nicht bekannt und wir sind somit eher von der heute gebräuchlichen Verwendung und Ähnlichkeit zu anderen Worten beeinflusst.
Genital statt Geschlecht.
Das Wort Geschlecht ist von seiner Wortherkunft her sogar positiv belegt. Es ist verwandt mit dem Wort schlagen und von der Bedeutung her, meint es das, was in die selbe Richtung schlägt. Allerdings steckt auch das Wort schlecht in Geschlecht, was unterbewusst leicht in eine eher negative Richtung beeinflussen kann.
Genitalbereich statt Schambereich.
Ja, der Genitalbereich ist ein sehr intimer und privater Bereich unseres Körpers und das ist gut so. Und es ist auch ein Bereich, den es zu schützen gilt, wenn es darauf ankommt. Sofern es uns möglich ist. Das Wort Scham offenbart mit seiner Bedeutung Beschämung bzw. Schande allerdings, dass oft eine unbewusst negative innerliche Bewertung herrscht. Und so schämen sich sich viele Menschen für ihren Genitalbereich mehr als dienlich ist.
Beim Schambein ist es ganz ähnlich. Es geht auch sexpositiv.
Das ist der Knochen unter dem Schamhügel (oder auch Schamberg) in unserem Genitalbereich. Sexpositiv kann dieser bei der Frau als Venushügel bezeichnet werden. Da erhält die Liebesgöttin Venus Einzug in dieses Wort und schenkt gleich eine andere Anmutung. Für Männer funktioniert es ebenso. Der Gott Mars hilft aus und es entsteht das wunderbare Wort Marshügel. Und wir sind noch nicht fertig.
Labien oder Venuslippen statt Schamlippen.
Gleiches Prinzip mit der Liebesgöttin Venus. Labien ist lateinisch und hat eine eher neutrale Anmutung. Da es zwei Paar Labien gibt und diese jeweils verschiedenste Formen annehmen können, bietet es sich weiterhin an, die Bezeichnungen äußere und innere Labien statt große und kleine Labien zu verwenden.
Es geht weiter: Orgasdarf statt Orgasmus.
Klar, es geht um den meinst kurzen Zustand höchster Wonnen. Gern auch als Feuerwerk, Explosion oder Entladung beschrieben. Zugegebenermaßen klingt Orgasdarf vielleicht etwas komisch. Und es braucht auch sicher nicht immer so ausgesprochen werden. Es soll vielmehr sensibilisieren. Denn: Wie wie gern tun wir Dinge, die wir müssen? Und wie viel lieber tun wir Dinge, die wir dürfen? Das Umdenken, er darf vorbeikommen und uns beglücken, wenn wir ihn einladen, statt er muss das Ziel sein, hat schon zu manchem Aha-Erlebnis geführt.
Und zu guter Letzt Selbstliebe statt Selbstbefriedigung.
Denn leider ist die Selbstbefriedigung noch oft gedanklich in der Schmuddelecke gespeichert. Meist ganz egal, wie sie dabei genannt wird. Etwas das nur notwendig ist, wenn gerade kein Partner da ist, zu viel Druck herrscht und Erleichterung und Entspannung her soll. Also irgendwie mit einem Mangel assoziiert ist. Mit Liebe verhält es sich anders. Sie kann als Ausdruck großer Fülle verstanden werden. Wir lieben, achten und schätzen uns selbst. Sodass wir eben auch Sex mit uns selbst gern erleben. Diese Sicht hilft raus aus der Schmuddelecke.
Ja, das ist sehr fortgeschritten.
Und deswegen kann eine sexpositive Sprache ein großer Beitrag hin zu einer sexpositiven, also Sexualität bejahenden Haltung, sein. Denn letztlich beeinflusst es sich gegenseitig. Unterstützende Sprache und somit auch Gedanken unterstützen eine Veränderung in eine uns willkommene Richtung oder hin zu einer angestrebten Haltung. Eher negative Sprache und somit auch Gedanken fördern die entgegengesetzte Richtung.
Deswegen nutze ich im Coaching die sexpositive Sprache.
Zum Einen, um den Coachee auf den eigenen Ausdruck aufmerksam zu machen. Und eventuell einzuladen zu einem Umdenken. Um dann sexpositive Sprache zu etablieren. Im geschützten Raum und Rahmen des Coachings. Und gern auch darüber hinaus. Zum Anderen, um bewusst eine sexpositive Haltung zu kultivieren. Bei und mit mir selbst sowie dem Coachee gegenüber.
Für eine sexpositive Haltung im Coaching. Und in der Welt.
Liebe und sexpositive Grüße