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Mai 4, 2017

Erregung & wie wir sie beeinflussen können

Brünftiger Hirsch

Vielleicht fragst du dich, was genau Erregung eigentlich meint…

Dafür ist es zunächst wichtig, zwischen Lust und Erregung zu unterscheiden. Genauer gesagt zwischen sexueller Lust und genitaler Erregung. Dabei meint genitale Erregung unsere rein körperlichen Abläufe. Sexuelle Lust hingegen beschreibt unser Erleben dieser körperlichen Erregung. Wie nehmen wir uns und unseren Körper in Situationen der genitalen Erregung wahr.

Genitale Erregung ≠ sexuelle Lust

Ich glaube, wir alle kennen die Situation, dass wir genital erregt sind und dennoch dabei keine hohe sexuelle Lust verspüren. Dies kann bei der Masturbation und auch im Partner-Sex vorkommen. Vielleicht bist du in solchen Situationen auf einem geringen Level innerer Entspannung, abgelenkt durch Gedanken, äußeren Stress oder etwas anderem. Möglicherweise endet diese Art der Stimulation für dich in einem Orgasmus, den du nicht als wirklich befriedigend erlebst. Oder der dich im Nachhinein frustriert. Wichtig ist: Alle Gedanken und Gefühle, die jetzt dazu in dir präsent sind, dürfen sein.

Was passiert auf der nervlichen Ebene?

Auch das ist interessant. Erregung bedeutet immer die Steigerung von neurologischen Zündungen. Dadurch nehmen wir Aufregung und Interesse wahr. Die Abnahme von neurologischen Zündungen, also eine Abnahme von Erregung, erleben wir hingegen als Entspannung. Dabei nehmen wir Freude, Glück und Genuss wahr. Lust entsteht genau dann, wenn Zyklen von sich aufbauender Erregung und anschließender Entspannung hintereinander ablaufen. Lust braucht also immer zwei Dinge: Erregung und Entspannung, Aufregung und Freude, Interesse und Genuss.

Der Erregungsmodus

ist etwas, was wir alle im Laufe unseres Lebens gelernt haben. Und weil Menschen eben verschieden sind, gibt es nicht nur einen Erregungsmodus, sondern mehrere. Gemeinsam haben sie, dass sie das Vorgehen beschreiben, wie jemand sich sexuell erregen und diese Erregung, falls möglich, bis hin zu einer Entladung steigern kann. Das Vorgehen bezieht sich dabei mehr auf die körperlichen Aktionen als auf das, was sich im Kopf abspielt.

Die Strategien, die in den Erregungsmodi genutzt werden, basieren auf:

Dem Ausüben von Druck auf den Genitalbereich, dem Reiben bestimmter Stellen des Genitalbereiches und dem Bewegen des Körpers auf fluide und/oder kraftvolle Art. Dabei gibt es Erregungsmodi, welche sich auf eine der genannten Strategien beschränken und auch Modi, die mehrere oder alle Strategien in Kombination nutzen. Vielleicht erkennst du für dich bereits eine Strategie, die du gelernt hast und mit besonderer Vorliebe nutzt. Falls nicht, vielleicht bist du inspiriert, dir ganz für dich, einmal zu überlegen, welche Strategie(n) zu nutzt. Denn…

…möglicherweise fühlst du dich durch deine bisher genutzte(n) Strategie(n) begrenzt.

In deinem Erleben von Lust. In deinem Erleben von Erregung. In deinem Erleben einer Entladung in Form eines Orgasmus. Es ist nämlich so, dass die verschiedenen Strategien Vorteile mit sich bringen, sonst würdest du sie nicht fortwährend anwenden. Meist haben wir Menschen gelernt, wie wir auf unsere Weise zuverlässig eine Entladung erleben können. Und das ist gut und richtig so. Aber verschiedene Strategien können auch Nachteile mit sich bringen. So ist es möglich, dass die genitale Erregung sehr lokal empfunden wird, hohe Konzentration in der Technik erfordert, ja (beinah) als Arbeit wahrgenommen wird. Dies begrenzt die Möglichkeit, sexuelle Lust zu empfinden.

Faktoren, die du bewusst beeinflussen kannst, sind

deine Atmung, die Bewegung deines Körpers, den Rhythmus deiner Atmung sowie deiner Bewegungen und deinen Muskeltonus. Hilfreich ist es dafür, wenn du dir zunächst bewusst machst, wie diese Faktoren bei deiner aktuellen Strategie eingebunden sind. Meine Empfehlung ist, dich dafür bei deiner Masturbation zu beobachten. Dies kannst du tun, indem du im Anschluss an deine Selbstliebe darüber reflektierst. Wie war meine Atmung? Wie habe ich mich bewegt? Welche Körperteile waren eher still oder eher aktiv? Wie war der Rhythmus meiner Atmung und meiner Bewegungen? Welche Körperteile waren eher angespannt oder eher entspannt?

Atem

nährt uns. Ist unser Lebenselixier. Für fließende Energien brauchen wir eine konstante tiefe Atmung in den Bauch. Dies unterstützt den Erregungsaufbau und das Erleben von sexueller Lust. Es gibt viele verschiedene spezielle Atemtechniken, die eine besondere Unterstützung ermöglichen. Für den Anfang, ist es bereits hilfreich, wenn du zu einer tiefen Bauchatmung zurückkehrst, sobald dir auffällt, dass du flach oder nur in die Brust atmest. Oder deine Atmung stockt, du also unbewusst die Luft anhältst.

Bewegung

ermöglicht die Verteilung und auch die Kanalisierung von Erregung. So verteilen fließende Bewegungen deines Beckens, deines Oberkörpers oder deiner Arme und Beine die Erregung aus dem Genitalbereich in den Körper. Gezielte Bewegungen, wie die Becken- und Schulterschaukel kanalisieren die Erregung und ermöglichen so eine Steigerung bis zum Erleben eines Orgasmus. Das Erlernen dieser Bewegungen bedarf etwas Übung. Für den Anfang kannst du immer dann, wenn dir auffällt, dass du gerade körperlich starr und ohne Bewegung bist, mit verschiedenen Bewegungen spielen und dabei beobachten, was mit deiner Erregung passiert.

Rhythmus

bestimmt maßgeblich unsere Wahrnehmung. Ein sehr schneller Rhythmus schränkt in der Wahrnehmungsfähigkeit eher ein, während ein langsamerer Rhythmus ermöglicht, sehr genau wahrzunehmen. Dies gilt für generell für Atmung, Bewegung und Berührung sowie auch für muskuläre Anspannung und Entspannung. Achte mal darauf, welche Rhythmen in deinem Erleben von Erregung und Lust vorkommen. Vielleicht magst du auch spielerisch mit verschiedenen Rhythmen experimentieren. Von eher langsam bis schnell. Die Mischung und Abwechslung, ja die Möglichkeit zu variieren, ermöglicht uns die größte Bandbreite für unsere Wahrnehmung.

Tonus

bedeutet, ob unsere Muskeln eher entspannt oder eher angespannt sind. Unsere Wahrnehmung ist bei hoher Tonizität reduziert und bei niedrigerer Tonizität ausgeprägter. Oft kommt es vor, dass steigende Erregung unbewusst von höherer Muskelspannung begleitet wird. Diese Muskelspannung kann lokal, also nur im Beckenbereich sein oder sich über den Körper ausbreiten. Wie ist das bei dir? Du bist eingeladen, mal bewusst zu entspannen, wenn dir auffällt, dass du in deiner Erregung bestimmte Körperareale anspannst. Auch sehr spannend kann es sein, bestimmte Muskeln bewusst anzuspannen und wieder zu entspannen (z. B. die Beckenbodenmuskulatur). Du kannst dabei beobachten, was mit deiner Erregung passiert.

Alle Faktoren beeinflussen sich gegenseitig.

So kann beispielsweise eine Änderung hin zu langsamerem Rhythmus zu einer Änderung des Tonus und auch der Atmung führen. Eine eher starre Körperhaltung geht einher mit einem eher hohen Muskeltonus. Und es gibt viele weitere Beispiele dafür. In jedem Fall ermöglichen die Reflexion und bewusste Wahrnehmung dessen, wie sich die Faktoren während der genitalen Erregung zeigen, eine neue und andere Form der Auseinandersetzung mit dem Erleben sexueller Lust. Geprägt von größerer innerer Freiheit, erweiterten Räumen und einer größeren Bandbreite der Wahrnehmung und Empfindungsfähigkeit.

Aufgeregt und freudig

Yvonne

PS: Im Sexological Bodywork ist das Schulen des bewussten Umgangs mit diesen Faktoren ein wichtiger Bestandteil. Bei verschiedenen Übungen (z. B. einem Atem- und Bewegungscoaching, Orgasmic Yoga und der Tao Erotic Massage) können diese Techniken kennengelernt, angewendet und verinnerlicht werden. Auf diese Weise wird somatisch der Umgang mit Erregung und Lust gelernt. Jenseits des bisher Gelernten.