Sex & Achtsamkeit – Wie passt das zusammen?
(M)eine Antwortmöglichkeit…
Dafür stellt sich erst einmal die Frage,
was du persönlich unter Achtsamkeit verstehst. Natürlich ist auch dein Verständnis von Sex relevant, darauf möchte ich jedoch ein andermal näher eingehen. Und ich denke, es ist wie mit allem in der Welt, wir sehen und verstehen durch die individuelle Brille, die wir tragen. Dabei sind wir davon geprägt, woher wir kommen, wie wir aufgewachsen sind, was wir in unserem bisherigen Leben für Erfahrungen gemacht haben. Welche Glaubenssätze uns auf unserem Weg begleiten. Und das ist gut so.
Fange ich also mal mit mir an.
Ich war in der Schule wissbegierig, habe studiert und verstehe etwas von Sprache. Und doch kam das Wort Achtsamkeit lange überhaupt nicht in meinem Bewusstsein vor. Mit Mitte 20 etwa fing ich an, es sprachlich zu benutzen. Ich wollte achtsam sein. Mit mir und im Umgang mit anderen Menschen. Und ich hatte mir es irgendwie von „Acht geben“ im Sinne von Behutsamkeit, Umsichtigkeit und Vorsicht abgeleitet. Genau hinschauen und niemandem auf die Füße treten. Immerhin. Ich gebrauchte das Wort in meinem Umfeld und irgendwie waren auch alle mit meiner Art es zu gebrauchen einverstanden. Nur war es eben nicht ganz zutreffend, wie ich etwas später leicht beschämt lernte.
Achtsamkeit beschreibt vielmehr
eine besondere Form von Bewusstheit und Aufmerksamkeit. Beide sind geprägt von einer ausgeprägten Klarheit und Qualität, sich dem Hier und Jetzt zu widmen. Essenziell dabei ist wahrzunehmen und zu beobachten, was in unserer Umgebung und in uns gerade ist. Und dies dabei nicht zu werten, sondern (vor)urteilsfrei zu registrieren und anzunehmen.
Heute ist Achtsamkeit nach diesem Verständnis ein fester Bestandteil meines Lebens. Und ich lerne täglich neue Facetten, wie ich sie erlebe und wie sie mich bereichert.
Schön an praktizierter Achtsamkeit kann sein,
dass wir in diesem Zustand überhaupt erst einen Eindruck von dem Ausmaß unserer Empfindungen und Gedanken erhalten. Können wir doch im Alltag vor lauter Aktivität unsere Aufmerksamkeit oft gar nicht gezielt auf etwas richten.
Weiterhin schön an Achtsamkeit kann sein, dass durch die Praxis unsere Aufmerksamkeit und Bewusstheit wachsen kann. Wir Empfindungen und Gedanken anders registrieren lernen können. Und gleichzeitig den Raum vergrößern können, sie anzuschauen, da sein zu lassen, ohne ihnen folgen zu müssen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten Achtsamkeit zu praktizieren.
Eine sehr klassische ist die Sitzmeditation. Zum Beispiel auf einem Kissen in aufrechter Position. Die Aufmerksamkeit auf den Atem gerichtet, lässt es sich wunderbar beobachten, was im Körper zu fühlen ist und welche Gedanken beinah sekündlich in unserem Kopf auftauchen. Daneben gibt es weitere Formen wie die Geh- oder Bewegungsmeditation.
Natürlich können wir aber auch immer wieder im Alltag achtsam sein. Bei allem was wir tun. Morgens den Kaffee trinken. Bewusst schmecken. Duschen. Bewusst fühlen, wie das Wasser auf unseren Körper trifft und an ihm entlang läuft. Uns an- oder ausziehen. Beobachten, wie es sich auf der Haut anfühlt, die Jeans abzustreifen oder das T-Shirt auszuziehen.
Und genau so funktioniert es beim Sex.
Mit dir selbst oder mit anderen. Bewusst wahrzunehmen, wie es sich anfühlt, Berührung zu empfangen und zu geben. Zum Beispiel sanfte Fingerspitzen auf der Haut oder eine Hand, die mit etwas Druck unseren Bauch entlang fährt und sich auf unser Geschlecht legt. Beobachten wo und wie die Erregung in Form von Energie in unserem Körper aktiv ist. Aufkommende Empfindungen und Gedanken dabei zu registrieren und sie da sein zu lassen. Ohne sie zu werten oder ihnen folgen zu müssen. Es ist okay, dass sie da sind.
Und natürlich
schauen und erleben wir dabei noch immer durch unsere individuelle Brille. Und das ist gut so. Nur ist alles vielleicht ein bisschen klarer als bisher und der Raum für unsere Wahrnehmung ein bisschen größer. Und auch hier gilt, je häufiger wir Achtsamkeit im Sex üben, desto mehr Raum, Aufmerksamkeit und Bewusstheit entstehen für unsere körperlichen und seelischen Empfindungen. Unser Körper entwickelt ein anderes Verhältnis zu Berührung, Erregung und sexueller Energie. Unser Geist ist anders in der Lage zu beobachten und sich darüber auszudrücken. Und so hat unser Herz die Möglichkeit sich mit unseren Genitalien zu verbinden.
Achtsam und begeistert